Handelt die Regierung wie ein Täter?

These: Die Regierung und Teile der großen Koalition handeln ähnlich wie Täter


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[Der folgende Kommentar hat nicht den Anspruch objektiv über Missbrauchserfahrung zu berichten. Das kann er auch nicht - jeder Missbrauch und seine Folgen sind individuell.]

Der Bundestag hat heute, am Donnerstag dem 18. Juni 2009, den Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Kinderpornographie nach abschließender Lesung verabschiedet.

Einige Beobachter werden sich vielleicht gewundert haben, warum sich auch Opferverbände (MOGiS, Trotz Allem e.V., gegen-missbrauch e.V.) gegen die Sperren wenden. Sie müssten doch eigentlich dafür sein.

Die Eingriffe in die Grundfreiheiten, die durch das Gesetz ermöglicht werden, sind aber unheimlich tiefgreifend, dies insbesondere im Hinblick auf die Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses und die im Artikel 5 garantierte Meinungs- und Rezipientenfreiheit. Es werden dabei eben auch Grundrechte von Missbrauchsüberlebenden eingeschränkt.

Meines Erachtens ist der Versuch diese, von vielen Bürgern geteilten, Bedenken, mit dem Hinweis auf die Verbreitung der Dokumentation sexuellen Kindesmissbrauchs, zu ersticken, unlauter.

Gerade bei dieser Debatte wäre eine ehrliche Fachdiskussion über Mittel und Wege zur Bekämpfung der Verbreitung der Missbrauchsdokumentation wichtig gewesen.

Die Art und Weise wie die Diskussion zuletzt stattgefunden hat, zeigt meines Erachtens eigentlich ganz deutlich, dass es eigentlich erstmal nur um die Errichtung einer Sperr-Infrastruktur geht, und die Debatte rund um dokumentierten Kindesmissbrauch hier nur als Türöffner dienen sollte.

Hier wird tief in die Privatsphäre der betroffenen Bundesbürger eingegriffen. Wenn mich/(uns?) die Erfahrung in der DDR eines gelehrt hat: Zensur passiert nicht nur durch offene Repression, Nein: Zensur passiert im Kopf! Nicht: "Wir werden zensiert", sondern: "Wir zensieren Uns!"

Was mich wirklich aber betroffen macht, ist die Art und Weise, wie die Bundesregierung und große Teile der Regierungkoalition über die Bedenken der, von der Sperre eigentlich betroffenen, Bürger hinweggeht.

Die Regierung und Teile der großen Koalition agieren hier ähnlich wie Täter.

Täter handeln üblicherweise mit einer Intention, die sie aber meistens nicht offen nach außen kommunizieren (Bosbach: "Ich halte es für richtig, sich erstmal nur mit dem Thema Kinderpornografie zu befassen, damit die öffentliche Debatte nicht in eine Schieflage gerät").

Sie arbeiten konsequent auf die Erfüllung Ihre Ziele hin und rücken (bis zu einer bestimmten Grenze) nicht von Ihnen ab. (Zitat Ursula von der Leyen: "Ich nehme dabei zwar die Bedenken aus der Petition ernst, weiche aber keinen Millimeter von meinem Ziel ab.")

Da der offene Missbrauch zu frühzeitigen Gegenreaktionen führen würde, wird er verkleidet und teilweise in scheinbar harmlose Alltagshandlungen eingebunden. (Das "Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen" führt ein  "Zugangserschwerungsgesetz" [ZugErschwG] ein, ).

Eine andere Taktik ist es, dass Opfer durch zügiges Handeln zu überwältigen, bevor es seine Abwehr versammelt hat. Auch hier bestehen wahrlich genug Anknüpfungspunkte im aktuellen Gesetzesverfahren.

Eigentlich ist aber jetzt schon klar, wohin das ganze sich letztendlich entwickeln wird:
* Strobel (CDU): "In jedem Fall sollte aber meines Erachtens [...] die von den Bundesministern von der Leyen und Schäuble vorgeschlagene Sperrung von kinderpornografischen Seiten im Internet mit Blick auf Killerspiele neu diskutiert werden."
* Gorny (Bundesverband Musikindustrie): "Der Vorstoß der Familienministerin zum Verbot von Kinderpornografie im Internet ist ein richtiges Signal. Es geht um gesellschaftlich gewünschte Regulierung im Internet, dazu gehört auch der Schutz des geistigen Eigentums."
* Dorothee Bär, Wolfgang Börnsen(beide CDU): "Die SPD wäre dadurch Gefahr gelaufen, Straftaten im Internet Vorschub zu leisten, von der Vergewaltigung und Erniedrigung kleiner Kinder bis hin zu Urheberrechtsverletzungen in breitestem Ausmaß gegenüber Künstlern und Kreativen."

Tätern fehlt wie Teilen der Regierung die Fähigkeit vom Protest der Betroffenen berührt zu werden. (Guttenberg (CDU) sagt, "Es macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Sperrung von kinderpornographischen Inhalten sträuben. Das ist nun wirklich einer der wichtigsten Vorhaben in vielerlei Hinsicht.")

Wird der Widerstand zu groß und besteht die Gefahr die Kontrolle über die Situation zu verlieren, dann wird Gesprächsbereitschaft suggeriert wo eigentlich gar nicht verhandelt sondern allerhöchstens aufgeschoben wird (Hintergrundgespräche mit Sperrgegnern ohne letztendlich auf deren Argumente einzugehen)

Überhaupt benutzen Täter Ablenkungsmanöver um Grenzüberschreitungen zu verschleiern.  (golem: 'SPD will "Löschen vor Sperren" und erwägt Kulturflatrate'  - hier kann ich mir echt nicht helfen und muss an das sprichwörtliche "Willst Du einen Lutscher?" denken)

Die Grenzüberschreitungen erfolgen schrittweise, sie bauen zum Teil aufeinander auf (aktuelle Beispiele: E-Mail-Überwachung, Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung). Die Gewöhnung an Grenzüberschreitungen führt durch eine verringerte Abwehr zur fortschreitenden Ausweitung derselben. Das Opfer flieht nach innen, schränkt seinen Lebensausdruck ein und resigniert.

Ich denke wir als Bundesbürger befinden uns jetzt in einer ähnlichen Situation wie bei familiären Missbrauch (den ich damit beileibe nicht kleinreden möchte!). Diese Analogie besteht insofern, als dass man sich bei Missbrauch in der Familie in einer Situation befindet aus der es schwer ist, sich zu befreien. Der Verlust beim Weggang wäre enorm, weswegen die Gegebenheiten viel zu lange ertragen wird.

Das Problem bei dieser Konstellation ist, dass das Opfer die Übergriffe viel zu lange erduldet, es irgendwann vielleicht komplett gebrochen ist  oder aber einmal danach ist, Radau zu machen und das Haus anzuzünden.

Beide Optionen sind wenig wünschenswert - Soweit sollten wir es nicht kommen lassen!

Ich erwarte von der Bundesregierung und der großen Koalition (?eigentlich?) mehr Einsicht als von einem Täter.

Auch wenn es uns vorerst nicht gelungen ist frühzeitig eine Grenze zu ziehen und diese Grenzüberschreitung erfolgreich zu ahnden, war es trotzdem gut, sich gegen diese Sperren zu wehren. Wir haben eben nicht tatenlos zugesehen wie hier wieder ein Stück Rechtsstaat abgebaut wird.

Auch sind wir nicht ohnmächtig. Ich denke nach einer Phase der Trauer sollten wir die Chance ergreifen, in Deutschland die vielbeschworene freiheitlich demokratische Grundordnung wiederherzustellen.

PS: Man kann diesen Artikel wie immer auch weiterzwitschern.

[Täter/Täterinnen sind im Text konsequent in der männlichen Form angesprochen, dies dient der Verständlichkeit und Lesbarkeit des Textes und soll nicht den Fakt verschleiern, dass auch Frauen Kinder missbrauchen, wenn vielleicht auch etwas subtiler, weil Ihrem Rollenbild besser angepasst.]

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