Was ich unserer Familienministerin sagen würde, wenn sie mit mir spräche.

(Vorneweg ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Wir würden ja gerne mit Frau von der Leyen reden ..)

von Gabriele Gawlich

Immer wieder haben ich und andere Menschenrechts-Aktivisten aus Betroffenen-Verbänden sich bemüht, ihre Sicht der Dinge mit Ursula von der Leyen  zu kommunizieren – bis heute ohne Erfolg. Beispiele wie dieses hier dokumentieren Antworten, die an der Realität völlig vorbei gehen.

Nun ist die Ministerin wieder in die Regierung berufen worden, auch in dieser Legislaturperiode wird sie für dasselbe Ressort Verantwortung tragen. Dies lässt eine gewisse Kontinuität in der Familienpolitik erwarten.

Wie auf der Homepage des Familienministeriums angekündigt wurde, ist die Ministerin zu Beginn ihrer neuen Amtszeit bereit, mit Reinhold Beckmann in seiner Sendung in der ARD zu sprechen, so wie sie auch in der vergangenen Legislaturperiode sich immer gern in den Medien dargestellt hat. Als angekündigtes Thema wird Kampf gegen Kinderarmut angegeben. Ich kann selbstverständlich die Kompetenz des Moderators in Bezug auf dieses Thema nicht einschätzen, aber er hat bekanntermaßen einen Stab von Mitarbeitern, die sich und ihn sachkundig machen.

Ich selbst halte mich ebenfalls für kompetent in Bezug auf den Kinder- und Jugendschutz. Wenn ich mit Ursula von der Leyen sprechen würde, würde ich sie an ihre Aussage im Wahlkampf erinnern: „Wir haben die Kraft für starke Familien“.

Ich würde ihr sagen, dass im Kampf gegen sexualisierte Gewalt an Kindern die Familien an vorderster Front stehen. Die meisten Straftaten in diesem Bereich finden im sozialen Nahfeld der betroffenen Kinder statt. Aber Familien, die geschwächt sind durch Armut, durch Arbeitslosigkeit, durch Perspektivlosigkeit u.v.a. sind nicht in der Lage, diesen Kampf zu führen. Das Deutsche Jugendkuratorium nennt diese Familien "erschöpfte Familien".

Eine Studie aus dem Jahr 2008 lässt erkennen, dass sich die meisten Eltern in finanziellen Notlagen bemühen, sich zugunsten ihrer Kinder einzuschränken. Sie schultern die Last.

Wir können sehen, dass auch  diese Eltern mit den Kindern lesen oder ihnen vorlesen, ihnen Taschengeld geben, mit ihnen Hausarbeiten erledigen und sogar mit ihnen Ausflüge unternehmen (siehe Seite 27 ff. der Studie). Das Bild vom trinkenden, pöbelnden Harz-IV-Bezieher, der seine Kinder vernachlässigt, finanzielle Zuwendungen in Flachbildschirme umsetzt oder „jede Menge Kopftuchmädchen“ produziert, entbehrt jeder Grundlage (von der Tatsache abgesehen, dass der Islam das Trinken von Alkohol verbietet).

Es ist wahrscheinlich leichter, vor diesen Tatsachen die Augen zu schließen und Familien in prekären Situationen zu verunglimpfen. Dann hat man eine Entschuldigung dafür, warum man nichts tut. Aber selbst wenn in einer solchen Familie aufgrund von Persönlichkeitsdefiziten Einschränkungen bestehen, können wir die betroffenen Kinder nicht aufgeben. Sie sind nicht schuld und nicht verantwortlich für ihre Eltern.

Dementsprechend würde ich von der Familienministerin in Übereinstimmung mit dem Jugendkuratorium wirksame Maßnahmen fordern, die die Kinderarmut in diesem Land beenden.

Ich würde sie auf den kontraproduktiven Plan der FDP aufmerksam machen, die Familienversicherung abzuschaffen. Dieser Plan bedeutet, den erschöpften Familien noch mehr finanzielle Lasten aufzubürden.

Ich würde ihr die Folgen vor Augen führen, die eine solche Maßnahme zeitigt. Nach wissenschaftlichem Konsens ist eine Ursache für Kindesmissbrauch die Situation erschöpfter Familien. In diesen Familien können Kinder aus  wirtschaftlichen Gründen nicht willkommen geheißen werden bzw. können keine ausreichende Geborgenheit finden. Erschöpfte Familien können oftmals nicht einmal für die Gesundheit der Bezugspersonen sorgen. Wenn ihnen dann noch die Sorge für die Gesundheit ihrer Kinder allein aufgebürdet wird, werden sie den Schutz der zukünftigen Opfer nicht mehr leisten können.

Unsere Gesellschaft wird dann viel verlieren: Die Kinder von Heute sollen Morgen u.a. die Rente für die Eltern und Großeltern erarbeiten - dazu wird ein Großteil von ihnen dann aber kaum in der Lage sein – im Gegenteil, durch die traumatische Kindheit werden diese Menschen selbst lebenslang von Transferleistungen abhängig sein. Dies ist ein Teufelskreis, der unbedingt durchbrochen werden muss.

Also, Frau Dr. von der Leyen, gebrauchen Sie Ihre Kraft. Machen Sie die Familien stark, so wie Sie es im Wahlkampf versprochen haben!

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