Öffentlichkeitswirksam hat Til Schweiger in der Sendung "Markus Lanz" gefordert, Namen und Adressen verurteilter Sexualstraftäter öffentlich zu machen. Abgesehen davon, dass dies gegen wichtige Rechtsprinzipien verstößt (die in zivilisierten Gesellschaften gerade auch für die Nicht-Zivilisierten gelten müssen), bringt es denn überhaupt etwas?
Diese Form von populistischer Forderung, die nur Randbereiche des Themas sexueller Missbrauch berühren, lenken aber vom Kern des Problems ab: Kinder werden sexuell missbraucht.
Und zwar meistens nicht, weil der oder die Täter primär sexuell an Kindern interessiert wären, sondern weil sie von den Tätern als schwach und verfügbar wahrgenommen werden und dann als Blitzableiter missbraucht werden.
Die meisten Kinder werden von Ihren nächsten Angehörigen sexuell missbraucht (in unserer eigenen Studie sogar rund 60%). Der Täter/die Täterin sind nämlich üblicherweise nicht Unbekannte, die ein fremdes Kind in ihr Auto zwingen[1], sondern es sind die Eltern, Großeltern, Onkel und Tanten und eben auch die eigenen Geschwister die Kinder sexuell missbrauchen.
Ein weiteres Problem mit einem solchen Register wäre, dass so die Aufmerksamkeit auf die wenigen bekannten Täter gerichtet wäre, aber die Ersttäter (die immerhin 60-70% der Taten begehen) dann sozusagen in einem blinden Fleck verschwinden. So wird unter Umständen ein falsches Gefühl der Sicherheit vermittelt, denn schlimmstenfalls werden die Kinder glauben, sie seien sicher, so lange sie sich nur von denen fernhalten, die als Täter bekannt sind.
Auch muss es verwundern, dass Herr Schweiger gerade das amerikanische Register heranzieht, dort wird zum Teil Oben-Ohne-Sonnenbaden oder auch öffentliches Stillen als Sexualstraftat geahndet:
Auch in Amerika kommt es darauf an, wo frau sich befindet: Dort gibt es Bundesstaaten, in denen sie schon mit öffentlichem Stillen einen Eintrag in die Sexualstraftäter-Datei riskiert
[Quelle: spiegel.de]
Weiter sollte man nicht vergessen, dass ein großer Teil der "Sexualstraftäter" in den USA selber noch Kinder sind [2]:
Generell zeigen Studien, dass die Rückfallwahrscheinlichkeit für einen Sexualstraftäter umso geringer ist, je besser er in eine soziales Gefüge eingebunden ist. Aus Tätern Outlaws zu machen dient niemandem. Je weniger diese Menschen zu verlieren haben, desto geringer werden auch ihre Hemmschwellen und umso größer wird die Tatneigung sein.
Kindesmissbrauch ist eben nicht nur schrecklich, sondern seine Bekämpfung ist auch kompliziert. Wesentlich komplizierter, als Til Schweiger oder manche Politiker glauben.
[1] wie im Fall Mirco, bei der der Täter ihm sogar nur befahl "er solle vom Rad und bei ihm ins Auto steigen", und man sich fragen kann: Warum haben die Beobachter dieser Szene nicht eingegriffen?
[2] Bureau of Justice Statistics, Seite 8, Abb. 6. Die Bildunterschrift der Abbildung ist falsch, wie der Text darunter eindeutig zeigt.