Herr Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, hat sich in einem Interview kritisch gegenüber der Aussetzung der Internetsperren gezeigt. [1] Dabei wurde wieder das Argument, dass es Länder gibt, in denen Kinderpornografie nicht strafbar sei und darum gesperrt werden müsse, wurde, leicht umformuliert, erneut vorgebracht.
Ein Mitglied unseres Vereins hat deswegen Herrn Freiberg einen Brief geschrieben und ihn um Stellungnahme gebeten.
Sehr geehrter Herr Freiberg,
ich bin Mitglied des Vereins MOGiS - Missbrauchsopfer gegen Internetsperren und möchte mich anlässlich ihres Interviews in der FAZ [2] mit einigen Fragen an sie wenden.
Sie kritisieren die Aussetzung der Internetsperren mit der Begründung, dass die Polizei dann angeblich keine Handhabe mehr hätte, gegen Internettäter vorzugehen.
Bislang lag die Aufklärungsquote für derartige Straftaten jedoch bei über 80%. Es kann also nicht richtig sein, dass die Polizei diesen Straftaten hilflos gegenüber steht. Es sei denn, man berücksichtigt den immensen personellen Abbau und den technischen Rückstand der einzelnen Polizeidienststellen.
Wäre es nicht viel zielführender, diese Missstände anzuprangern?
Ich wohne in einem kleinen Kreis im Ruhrgebiet. Für drei Städte gibt es hier nachts noch zwei Streifenwagen, die umherfahren. Ihre Kollegen können so allenfalls noch auf Notfälle reagieren und selbst das dauert unverhältnismäßig lange.
Von der Eigensicherung, wenn zwei Streifenbeamte auf eine Gruppe gewaltbereiter, vielleicht angetrunkener Personen trifft, wollen wir mal gar nicht sprechen.
Ermittlungen zu Internetkriminalität sind alleine aufgrund der jahrelangen desolaten personellen Situation und der fehlenden Ausbildung der Polizeibeamten nicht möglich.
Sind Sie der Meinung, dass man statt dessen dann Stoppschilder aufstellen soll, um die Polizei zu entlasten? Wie würde das den Opfern helfen?
Seit Jahren werden vornehmlich immer wieder folgende Mängel in der Polizeiausstattung thematisiert:
Hinzu kommt ja noch, dass die Sperren die Täter noch schützen, da sie sich vor zufälliger Entdeckung Unbeteiligter jetzt sicher fühlen können. Eine Anzeige, weil sich jemand zufällig auf eine der inkriminierten Seiten verirrt hat, ist damit ausgeschlossen.
In letzter Zeit wurde in der Öffentlichkeit verstärkt Zivilcourage gefordert; die Bürger sollen hinsehen, wenn Verbrechen geschehen - warum legt die Gewerkschaft der Polizei plötzlich andere Maßstäbe an, sobald die Verbrechen im Internet geschehen?
Die Opfer auf den Dokumenten sind lebende Personen. Jedes Bild dokumentiert ein reales Verbrechen, egal wie lange dieses möglicherweise her ist.
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auch hier gelten die Gesetze und der Ermittlungszwang beim Verdacht auf ein Verbrechen. Ein Täter begeht ja seine Vergehen auch nicht im Internet, er dokumentiert sie dort nur. Und da ist auch der Punkt, wo man mit den Ermittlungstätigkeiten ansetzen muss.
Wollen sie wirklich diese Beweisquelle versiegen lassen?
Auch die Behauptung, dass die Seiten nicht gelöscht werden können, ist bereits vielfach widerlegt worden. Jedoch werden sehr unterschiedliche Maßstäbe bei der Seitenlöschung angelegt: Phishingseiten, also gefälschte Bankenseiten, um an Kontodaten zu gelangen, sind durchschnittlich nach 4 Stunden gelöscht, Seiten mit dokumentiertem sexuellen Missbrauch jedoch erst nach einer Woche.
Da muss noch einiges verbessert werden, da haben Sie recht. Ich möchte mich vor allem auf einen Punkt beziehen, den Sie im Interview genannt haben, ich zitiere aus dem Bericht der FAZ:
"Größtes Hindernis dafür sei die international uneinheitliche Rechtslage, die durch entsprechende Abkommen harmonisiert werden müsse, sagte Freiberg."
Dokumentierter Kindesmissbrauch braucht dort nicht explizit unter Strafe gestellt werden. Die Darstellung pornographischer Bilder wird gerade in diesen Ländern drakonisch geahndet, der Iran z.B. verhängt hier auch durchaus die Todesstrafe, in China und Indien erhält man langjährige Haftstrafen, bzw. wird in ein Umerziehungslager eingesperrt.
Herr Freiberg, Sie haben die Möglichkeit, auf die Missstände, mit denen die Beamten in vielen Polizeidienststellen zurechtkommen müssen, aufmerksam zu machen. Die Internetsperren sind weitere Nebelkerzen, die keinem Ihrer Kollegen vor Ort helfen, seine Arbeit bewältigen zu können. Sicherheit fängt unten an: Bei den Polizeidienststellen vor Ort. Und diese werden seit über einem Jahrzehnt sträflich vernachlässigt.
Die Befugnisse von der inzwischen überforderten Polizei auf das BKA und den Verfassungsschutz zu übertragen, weil die Länder ihrer hoheitlichen Aufgabe zur Ausstattung der Landespolizeibehörden nicht nachkommen, wird nicht das Problem lösen.
Im Gegenteil, es schafft eine unkontrollierbare und unkontrollierte Behörde und degradiert die Ermittler in den Landespolizeibehörden zu Wasserträgern der allmächtigen Bundespolizei, bzw. zu bezahlten Geldeintreibern bei Verkehrsverstößen.
Schon jetzt gibt es Polizeidienststellen mit "Mindestquoten" an Bußgeldern. Das dient der Einnahmeerzielung, nicht jedoch der Gefahrenabwehr.
Es muss eine solide Finanzdecke her und die Gelder für die Polizeibehörden müssen endlich nach oben angepasst werden. Dann können wir uns in Deutschland auch wieder sicher fühlen.
Mit freundlichen Grüssen
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Mitglied im Verein MOGiS - "Eine Stimme für Betroffene"