Die Bundesinitiative der Betroffenen von sexualisierter Gewalt und Missbrauch im Kindesalter

Der MOGiS e.V. arbeitet für die Interessen der Betroffenen in der Bundesinitiative der Betroffenen von sexualisierter Gewalt und Missbrauch im Kindesalter mit.

Die Bundesinitiative hat ihre Standpunkte zur Arbeit des Runden Tisches schon vor einer Weile zusammengefasst und auf Ihrer Webseite veröffentlich. Um die Sichtbarkeit dieser Forderungen zu erhöhen sollen die Anregungungen und Verbesserungsvorschläge der Bundesinitiative hier nochmal in voller Länge wiedergegeben werden:

1. Öffentliche Wahrnehmung

Für unabdingbar halten wir die Veränderung der öffentlichen Wahrnehmung der Betroffenen von sexualisierter Gewalt und sexuellem Missbrauch in der Gesellschaft. Um diese Veränderung zu erreichen gilt es, die Medien zu einem veränderten Umgang mit der Thematik zu bewegen, da ihre Berichterstattung einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung hat. Das bedeutet, sich von voyeuristischer und skandalisierter Berichterstattung ab und fachlich unterlegter, mit den Betroffenen solidarischer Berichtskultur zuzuwenden.

Zur Einbeziehung der Medien in diesen Prozess, halten wir es für notwendig, den Medienrat als Partner zu gewinnen. Der sollte verbindliche Regelungen für den Umgang mit dem Thema treffen und gegebenenfalls Bußgelder bei Nichteinhaltung der Regelungen festsetzen. Diese könnten in einen Therapiefonds für Betroffene fließen.

Des Weiteren halten wir die Auslobung von Auszeichnungen für besonders couragiertes Verhalten gegen die Ausübung sexualisierter Gewalt und sexuellen Missbrauchs für hilfreich, um eine positive und zugewandte Haltung zu Betroffenen herauszustellen und zu würdigen.

2. Prävention/Intervention in Familien und kindernahen Einrichtungen


Durch erfolgreiche Prävention und Intervention wird die Missbrauchsprävalenz verringert und die Folgekosten (auch z. B. im Bereich der Sozial- und Krankenversicherungssysteme durch Verhinderung gebrochener Biographien) gesenkt.

Den Kindern und Jugendlichen, die einen Missbrauch melden, ist ein erhöhter Glaubwürdigkeitsgrad zu zuerkennen. Eine Skandalisierung des Vorgangs ist dabei zu vermeiden.

In allen kindernahen Bereichen sind bundesweite Standards zu etablieren. Diese sind unabhängig von weltanschaulichen Bekenntnissen zu gewährleisten. Dazu gehören:


  • Institutionalisierte Formen der Supervision – wie z. B. verpflichtende regelmäßige Einzel- und Gruppengespräche, die Ernennung von Vertrauenspersonen sowie eine Berichtspflicht an eine übergeordnete unabhängige Stelle

  • Etablierung einer Fehlerkultur in Institutionen (auch Ämter und Behörden), diese müssen aus ihren Fehlern lernen, dazu müssen sie eine Kultur entwickeln mit Fehlern umzugehen, dazu gehört eine Qualitätssicherung und ein Qualitätsmanagment, dieses sollte an die Förderfähigkeit der Institutionen gebunden werden.

  • Verpflichtende bzw. beförderungsrelevante Qualifizierung aller Berufsgruppen, die auf Kinder und Jugendliche bezogen sind, einschließlich der ehrenamtlichen Mitarbeiter, (z. B. Pflegeeltern, Mitarbeiter der Verwaltungen, Ämter und Krankenkassen, Gutachter, Pflegepersonal, Pädagogen, Trainer, Sozialarbeiter, Richter, Polizei, Heilpraktiker, Mediziner, Krisendienste/Telefonseelsorge, usw.)

  • Sicherstellung der personellen und finanziellen Ausstattung von Berufsgruppen, die präventiv und interventionell auf Kinder und Jugendliche bezogen sind

  • Verpflichtung zu öffentlich einsehbarer Dokumentation der erfolgreichen Bemühungen um Kinderschutz der betreffenden kindernahen Einrichtungen. Nur bei Nachweis von präventiven Maßnahmen sind diese förderungsfähig.


Im Verdachtsfall haben die Verantwortlichen der kindernahen Einrichtungen zu beweisen, dass sie alles getan haben, um sexualisierte Gewalt zu verhindern und dass innerhalb ihrer Einrichtung keine Tat vorgekommen ist. Auch bei Bekanntwerden von innerfamiliären Verdachtsfällen haben die kindernahen Einrichtungen zu beweisen, dass sie alles ihnen mögliche getan haben, um den Betroffenen zu helfen. Die Betroffenen sind in diesem Zusammenhang von einer Beweispflicht zu entlasten. Bei Versagen der betreffenden Einrichtung bzw. Unfähigkeit zum geforderten Nachweis haben diese Schadensersatz an den Betroffenen zu leisten.

Die Bundesinitiative fordert die Schaffung einer Stelle eines unabhängigen Missbrauchsbeauftragten (Als Vorbild kann die Geschäftstelle der UBSKM dienen). Zur finanziellen Sicherstellung ist die Schaffung eines ständigen Haushaltstitels erforderlich. Dieser Institution werden u.a. folgende Aufgaben zugewiesen:


  • Einrichtung einer Hotline/Hompage mit folgenden Eigenschaften: leicht eingängige Rufnummer bzw. Internet-Adresse, bundesweit, kostenlos, deutsch- und fremdsprachig, Gewährleistung der Anonymität, kein Vermerk in Telefonrechnung. Die Mitarbeiter sind fortlaufend zu schulen. Außerdem ist für eine gute Vernetzung mit allen involvierten Akteuren zu sorgen.

  • Koordinierung der Schaffung von dezentralen, ortsnahen, unabhängigen Anlaufstellen, die die Möglichkeit des persönlichen (anonymen) Gesprächs bieten und Lotsendienst übernehmen.

  • Koordination der Öffentlichkeitsarbeit im Sinne einer gesellschaftlichen Aufklärung.

  • Koordination der Forschungsarbeit im themenrelevanten Bereich.


3. Hilfen für Betroffene:


Betroffene von sexualisierter Gewalt sind physisch und psychisch von der Tat in unterschiedlichem Maß betroffen. Die Traumatisierung kann so tief gehen, dass die Lebensqualität erheblich gemindert und die Bewältigung des Lebens erschwert oder gar unmöglich gemacht ist (Suizid). Hier gilt es Therapiemöglichkeiten zu schaffen, die dem Betroffenen eine Teilnahme am Leben ermöglichen. Dazu ist aus Sicht der Bundesinitiative Folgendes notwendig:

  • Die Psychotherapierichtlinien sind zu verändern und anzupassen. Übergänge von Kurzzeittherapie zu Langzeittherapie sind zu verbessern und zu erleichtern, Wartezeiten müssen minimiert werden, die Dauer ist dem Bedarf des Betroffenen anzupassen.

  • Die Therapieformen sollten im Rahmen von standardisierten und anerkannten Therapien frei wählbar sein. Traumatherapien und bis heute nicht anerkannte Therapieformen- und Methoden sind zu erforschen und bei Nutzenfeststellung neu zuzulassen.

  • Wir fordern eine fundierte Ausbildung für Traumatherapeuten. Wochenendseminare dürfen einfach nicht ausreichen!

  • Kosten, die den Rahmen der Finanzierung durch die Krankenkassen übersteigen, sind von einem speziell eingerichteten Fonds zu tragen.

  • Beratungsstellen und Selbsthilfeinitiativen müssen finanziell unabhängig agieren können. Dazu ist ein bundesweiter Förderfonds einzurichten, der z. B. aus dem Bundeshaushalt, aus Geldstrafen von Tätern, aus Bußgeldern aus Verstößen der Medien, aus Lottomitteln, usw. gespeist wird.

  • Folgeerkrankungen sind anzuerkennen und auszugleichen, ihre Behandlung (z.B. Zahnbehandlungen) ist finanziell sicherzustellen in jeder Hinsicht.

  • Alle soziale Folgen, wie z. B. Minderung der Erwerbsfähigkeit, dadurch bedingte Minderung der Rentenzahlung, früh einsetzende Pflegebedürftigkeit bzw. erhöhter Pflegeaufwand durch traumatisch bedingte Unfähigkeit zur Zulassung von unbekanntem Pflegepersonal und Schwerbehinderungen sind anzuerkennen und auszugleichen. Dazu ist das Schwerbehindertenrecht zu überarbeiten und Hilfen zum Lebensunterhalt zu gewähren.


4. Recht/Entschädigung:


Die Bundesinitiative die Aufhebung der Verjährungsfristen im zivilrechtlichen Bereich. Es sollte in der Hand des Betroffenen bleiben, wann er die juristische Aufarbeitung des Falles für beendet hält.

Das OpferEntschädigungsGesetz ist unter Mitwirkung von Opfern sexualisierter Gewalt und Missbrauchs im Kindesalter zu novellieren.

Kindernahe Einrichtungen – unabhängig vom weltanschaulichen Bekenntnis – sind bei Versagen im Kinderschutz in Haftung zu nehmen. Sie haben die Betroffenen angemessen zu entschädigen. Die Beweispflicht hat bei diesen Einrichtungen zu liegen.

Die nicht mehr justiziablen Fälle (bis zum Jahr 2010) sind finanziell zu entschädigen. Die Bundesinitiative fordert eine angemessene Summe. Die Entschädigung sollte als Form der Anerkennung des Leids dienen können – Am besten vom Täter selber – Der Betrag sollte dann keine weitere Abwertung darstellen!

Dazu ist eine unabhängige Einrichtung zu bilden, die die Prüfung der Fälle und Auszahlung an die Berechtigten vornimmt. Als Berechtigter wird ein Betroffener anerkannt, wenn er eine so lautende eidesstattliche Erklärung abgibt.

Die Summen sind von den Tätern bzw. von den Täterorganisationen zurück zu fordern, soweit diese ermittelt werden können.

5. Forschung/Wissenschaft:


In folgenden Punkten müssen Forschungsmöglichkeiten geschaffen und deren Finanzierung sichergestellt werden:

  • Therapie- und Behandlungsmethoden

  • Erforschung sozialer Folgen sexuellen Missbrauchs

  • Erforschung von Frauen als Täter (sexualisiertes Fürsorgeverhalten)

  • Geschlechtsspezifische Forschung zu Opfern sexuellen Missbrauchs

  • Dunkelfeldforschung zu sexualisierter Gewalt und sexuellem Missbrauch


Der sexuelle Missbrauch in seinen unterschiedlichen Ausprägungen und in seinem gesamten Ausmaß, bedarf einer intensiven Aufarbeitung und der vertieften wissenschaftlichen Erforschung. Dies gilt vor allem für den sexuellen Missbrauch im innerfamiliären Bereich.

6. Zusammensetzung und Ausrichtung des Runden Tisches


Alle wichtigen Akteure sind mit ihren Expertisen und ihren Einflussmöglichkeiten zu den “Runden Tisch”-Gesprächen mit hinzu zu ziehen. Dazu gehören insbesondere das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, sowie das Bundesministerium für Gesundheit.

Folgende Abeitsgruppen sind dabei neu zu bilden:


  • eine Unterarbeitsgruppe zur Thematik: Missbrauch in Familien

  • eine Unterarbeitsgruppe zu Therapien, Therapeutenausbildung und deren Finanzierung – Teilnehmen sollten an dieser Arbeitsgruppe wenigstens die Ärztlichen Standesorganisationen, die Psychotherapeutenkammer, die Kostenträger (Krankenkassen), das Bundesministerium für Gesundheit, Vertreter von Opferhilfeorganisationen und Betroffenenorganisationen


 

online unter: http://www.die-bundesinitiative.de/inhaltliche-standpunkte-der-bundesinitiative/

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